Das innere Kind ist ein Kindergarten

Ungelöste unterbewusste Traumen und Schockerlebnisse können das Herz erstarren lassen

Maedchen-am-Baum-mit-Lichterkette-dunkel-

Das innere Kind ist ein Kindergarten

Seit den 1990iger Jahren haben sich verschiedene therapeutischen Ansätze der „Inneren-Kind-Arbeit“ entwickelt. Man geht davon aus, dass jedesmal, wenn man als Kind von einer Situation überwältigt war und sie nicht zu Ende verarbeiten und verstehen konnte, ein unbewusster Teil als „inneres Kind“ in der damaligen Situation hängen geblieben ist.

Wie wirken sich „innere Kinder“ aus?

Diese inneren Anteile bestimmen ca. 90% unseres Alltags. Man hat sich z.B. vorgenommen heute Abend endlich die fällige Abrechnung eines Projektes in Angriff zu nehmen oder Vokabeln zu lernen etc. und was passiert? Zuerst muss man noch etwas essen, dann dringend einen Anruf tätigen oder die Fenster putzen… Und schließlich kommt man leider nicht mehr zu der Abrechnung bzw. den Vokabeln. Oder ein bestimmtes Verhalten eines Mitarbeiters oder Vorgesetzen gibt einem das Gefühl unter Beobachtung zu stehen, etwas nicht richtig zu machen und alleine diese Vorstellung löst innere irrationale Gefühle und Verhaltensweisen aus, die eigentlich unangemessen zu sein scheinen. Manche Menschen reagieren in einer solchen Situation z.B. mit Unterwürfigkeit, andere mit Aggression, zumindest kann man nicht entspannt bleiben, möchte sich vielleicht ständig beweisen oder könnte sich schlicht gestresst fühlen – ohne bestimmten Anhaltspunkt.

Die „inneren Kinder“ werden also unter bestimmten Auslösern im Alltag wieder aktiv, die unbewusst mit einer Situation der Kindheit Ähnlichkeit haben. Wie in einer Dominoreihe wird dann eine ganze innere Kette von Bildern, Interpretationen, Gedankenfolgen und Gefühlen in den vernetzten Gehirn-Ganglien in Gang gesetzt, die man nicht unterbrechen kann. Man regrediert spontan in den kindlichen Erfahrungsraum des damaligen Erlebens, projiziert dies auf die heutige Situation und hat dann nur die Interpretation und das Verhaltensspektrum des Kindes im jeweiligen ausgelösten Alter zur Verfügung, um auf die auslösende Situation zu reagieren. Das ist nicht immer angemessen und lässt die Sachlichkeit in den Hintergrund treten. Man fühlt sich z.B. angegriffen, hilflos, ausgeliefert, überrollt, ängstlich, überfordert etc. obwohl man sich dem eigenen Anspruch nach eher erwachsen, ruhig, vernünftig, verständnisvoll oder kompetent fühlen möchte.

Der Schock-Domino-Effekt

„Innere Kinder“ werden also aktiv, wenn es um Schock geht. Spannend ist, dass der sogenannte Schock-Mechanismus aus dem Unterbewusstsein heraus genau gleich abläuft, ob ein tatsächlicher Angriff oder nur ein eingebildeter Angriff vorliegt! Also selbst wenn wir nur von einer Annahme ausgehen, die keinerlei Realität beinhalten muss, setzt dies eine Reaktions-Verhaltenskette in Gang, die zwanghaft abläuft. Diese Abfolge ist genetisch vorgegeben. Aufgrund des Reaktionsmusters kann man also erkennen, an welcher Stelle im Schockverlauf jemand als Kind hängen geblieben ist. Die restlichen Schritte können dann nachverarbeitet werden – zur Lösung des Traumas. Voraussetzung dafür ist, dass man in den damaligen kindlichen Erlebnisraum und das Bewusstsein des Kindes wieder eintaucht, die Verarbeitungswelle dort an Ort und Stelle wieder aufgreift und zu Ende bringt. Dies geschieht durch umfassendes Verstehen der damaligen Situation – umfassend meint: nicht nur aus der Perspektive des Kindes, sondern gleichzeitig auch aus der Perspektiver aller Beteiligten!

Viele Menschen können eine solche Schock-Reaktions-Kette nicht mehr allein auflösen, weil sie z.B. durch Erziehung verboten bekommen haben, sich zu wehren (und die inhärente Aggression, die ggf. zur Lösung nötig ist, vermeiden) und bleiben daher in einem ständigen Zustand von latenter unterschwelliger irrationaler Aggression im Alltag hängen. Andere wiederum sind ständig am Leiden oder im Vorwurf („die anderen sind Schuld“) und kommen da nicht mehr raus bzw. hängen in einem okkulten Angstgefühl fest und trauen sich nicht mehr aus ihrer Wohnung (Schutzreflex). Erziehungsmuster haben also mit einem Schock (Verbot/Druck/Angst) die natürliche Heilung eines Schockmusters verhindert. Dadurch stecken wir in einem Dilemma fest. Ein Schock blockiert einen anderen an der Heilung.

Ungelöste unterbewusste Traumen und Schockerlebnisse können das Herz erstarren lassen. Wir fühlen nur noch angepasste Normalität statt Freude, Entspannung, Spontanität und Glück.

Gerade wenn wir selbst Kinder haben oder an unserem Arbeitsplatz werden wir häufig mit Lebensumständen konfrontiert, die uns an die eigene Kindheit erinnern. Aber auch jedesmal, wenn wir mit Menschen zu tun haben, die in einem Lebensumbruch stehen, krank sind, eine emotionale Verletzung erleben und gerade aufgeregt sind usw. werden unsere unbewussten kindlichen Schockmuster berührt, weil wir uns unbewusst mit ihnen identifizieren. Spirituell betrachtet wirkt sich unser angeborenes, undifferenziertes Mitgefühl so aus, dass wir unwillkürlich dann selbst mit Schockverhalten reagieren.

Der Erwachsene weiß, dass diese Gefühls- und Verhaltenskette irrational ist und ihm eigentlich keine echte Gefahr droht und kann diese innere Gefühlsreaktion dennoch nicht ändern. Das ist die Macht des Unterbewusstseins und des verletzten Kindes. Wir ertappen uns dabei, dass wir uns auf eine Art und Weise verhalten, die wir eigentlich gar nicht wollen – automatisch. Solche Reflexe führen nicht nur am Arbeitsplatz zu Problemen, Konkurrenz und Stress, sondern belasten auch Beziehungen, Ehen, führen zu Spannungen bis hin zur Trennung, obwohl man sich doch liebt.

Was den Schock wieder aktiviert:

  • Gewalt – offensichtliche oder eingebildete
  • Druck – innerer oder äußerer (auch Termindruck!)
  • Verlust oder Abhängigkeit (oder Angst vor Verlust oder Abhängigkeit)
  • Ablehnung oder Kritik (auch unterstellte Kritik!)
  • Verwirrende Nachrichten (doublebind Messages…)
  • hysterische oder verrückte Ausbrüche anderer, die man nicht einordnen kann
  • Wechsel im normalen Lebensablauf (Umzug, Arbeitsplatzwechsel, neuer Chef, Krankheit, OP usw)

Wie erlöst man die „inneren Kinder“?

Therapeutisch geht man meist so damit um, dass man diese inneren Anteile bewusst macht, anerkennt, absichtliche Deals im Alltag mit den inneren Kind-Anteilen macht (z.B.: Du lässt mich jetzt die Abrechnung machen und hinterher bekommst Du ein Eis) oder durch die eine oder andere Technik versucht „sie zu integrieren“. Andere versuchen die Erinnerung in einer emotionalen Phantasievorstellung positiv zu überschreiben, damit sie nicht mehr stören soll. Doch leider funktioniert das nicht wirklich in der Tiefe. Es ist, als ob man ein Tonband überschreibt, aber am Tonband selbst weiterhin festhält. Oft habe ich in der Heilpraxis Klienten, die sich intensiv mit den sog. „inneren Kindern“ beschäftigt haben und deren Einflüsse im Alltag eher dadurch mehr in den Vordergrund getreten sind, als weniger. So, als ob diese inneren Kinder immer mehr Raum bekommen, immer wichtiger werden und der Erwachsene immer mehr in den Hintergrund tritt. Also funktioniert echte Heilung ganz anders:

Echte Heilung der inneren Kinder

Erst wenn die Schockreaktionskette in den Gefühlen hat zu Ende laufen können, zutiefst verstanden, durchlebt wurde und sich erfüllt hat, ist man fähig den dahinter liegenden Lernschritt umzusetzen. Dazu ist es elementar nötig, das ursprüngliche Gefühlserleben – also aus der Perspektive des Kindes heraus – wieder aufzugreifen und die Fehlidentifikation aufzulösen. Es ist nicht wichtig, die Situation im Detail richtig zu erinnern (die Erinnerung des Erwachsenen und seine nachträgliche Interpretation und Glaubenssätze trügen meist sowieso), sondern es ist wichtig, das eigentliche große unbewertende Erleben des Kindes, also einen bedingungslosen Bewusstseinsraum wieder zuzulassen. Dieser Prozess braucht Zeit. Am besten Zeit am Stück – z.B. in einem dafür vorgesehenen Retreat – und findet in Rhythmen statt.

Daraus folgt das unbeschreibliche Gefühl von Erlösung und die spontane Bereitschaft, sich wieder zu öffnen, den Schutz aufzugeben, wieder zu vertrauen (ohne Bedingung, nicht wieder verletzt zu werden).

Wir sollten dies von der vorher gewohnten erwachsenen rationalen Normalität unterscheiden lernen, denn diese ist nicht das Ende des Traumas, sondern erneut der Schock-Zustand des Abgeschnittenseins und „Nicht-Wahrnehmens“!

Das charakteristische Gefühl des Schock-Endes, welches auf Sie wartet und durch Wiederholungszwang des Schockgefühls von Natur aus angestrebt wird, ist Leichtigkeit, Freude, Offenheit, Vertrauen ohne Bedingungen. Auch dies haben Sie immer wieder in Ihrem Leben schon erlebt – z.B. nach einer Meditation, nach einer Selbsterfahrungs-Sitzung, nach einem verliebten Urlaub. Immer wieder kommen wir aus einem Schockmuster heraus und gleiten, da die alten Auslöser nicht aufgearbeitet wurden, wieder hinein. Sich selbst bewusst werden heißt daher auch, diese inneren-Kinder-Trance-Schock-Zustände als Einladung zu begreifen, sie aufzulösen, um immer öfter glücklich und selig zu sein und alles wieder lebendig fühlen zu können, bedingungslos, wie ein Kind. Dies wünsche ich Ihnen von Herzen….

Sei wieder Kind: ein freies, glückseliges, ewiges Wesen.

 

``Geschichte ist eine Fiktion, die uns glauben machen will, dass das Ereignisse voraussehbar sind und das Leben eine Ordnung und Richtung hat.`` Calvin und Hobbes