Bewusstsein = der Schlüssel, um Ängste aufzulösen

Taj Mahal mit Garten im Vordergrund

Bewusstsein = der Schlüssel, um Ängste aufzulösen

Es war in Indien, wo mir die große Kraft gezeigt wurde, die im meditativen Bewusstsein verborgen ist.

Ängste können die Entfaltung eines ganzen Lebens verhindern, indem sie das Fließen der Kreativität und des Selbstvertrauens stören, wie Steine in einem Flußbett das Strömen erschweren.

Ich war recht jung, hatte als Chefsekretärin in einer internationalen Firma u.a. internationale Konferenzen organisiert und dachte ich könnte das auch auf selbständiger Basis. Also habe ich gekündigt und hatte fortan schlaflose Nächte und Schweißausbrüche vor Angst: „Ohne die Sicherheit eines Arbeitsvertrages, ohne regelmäßiges Einkommen muss ich doch verhungern!“ Etwas in mir wusste, dass diese Ängste irrational seien (trotz logischem äußeren Grund) und etwas wusste, dass die Ängste tiefer sind, grösser sind, leidenschaftlicher, bedrohlicher, als je erlebt und ich dafür Hilfe brauche, denn andere können sich ja auch selbständig machen, ohne innerlich durchzudrehen. Und ich wusste instinktiv: über Gefühle reden ist ganz nett, aber ich brauche HILFE. Therapeutisch hatte ich es auf allen erdenklichen Wegen probiert – hat nichts gebracht. Aufstellung der Ängste ebenfalls nicht. Homöopathie, „Klopfen“ etc. auch nicht. Jemand hat mir geraten: mal Abstand. Gesagt getan: Auszeit, mal ganz weit weg, Indien. Land der Meditation und Heilung? Oh, wo bin ich da hingeraten? Dreck, quietschend laut, lärmend, dicht/voll mit Menschen, fremd, ausgeliefert – meine Ängste hielten mich fest im Griff und jagten mich noch mehr.

Ich bin in ein Meditationszentrum gefahren, saß mittags am Tisch mit vielen Anderen aus fernen Ländern und sprach mit jemandem über meine unerklärlichen, unbeherrschbaren Ängste, als jemand auf der anderen Seite des Tisches erwähnte: „Das ist doch kein Problem!“ Ein alter Inder saß mir schräg gegenüber, langer weißer Bart, freundliche Augen mit Lachfältchen. „Wie kein Problem?“ er schien sich auffallend sicher zu sein. „Was würdest Du mit den Ängsten machen?“ fragte ich ihn. „Gar nichts!“ war die Antwort „aber das ist ja das Geheimnis. Komm heute Nachmittag zu mir, hier ist die Adresse, dann gehen wir das an…“ Die gängigen Wege habe ich schon probiert, dachte ich und jemand der so weise, so erfahren aussieht und sich so sicher ist, dem sollte ich eine Chance geben. Kann ja nicht schaden, dachte ich schmunzelnd und zweifelnd, wenn er „gar nichts“ macht.

Ich stieg also in die Riksha und fuhr zu gegebener Zeit dort hin. Asanga (so hieß er), öffnete freundlich lächelnd die Tür und wies mich in ein Zimmer. Darin nur eine Matratze, ein Meditationskissen, sonst nichts. Leer und kühl. Kein Bild an der Wand, nichts was mich hätte von mir selbst ablenken können.

Ich nahm Platz und wartete. Er kam bald darauf und bat mich: „Leg Dich hin und habe Angst.“ – „Wie?“ fragte ich zurück, „einfach so?“ – „Ja“ antwortete er, „hab einfach soviel Angst, wie Du gerade kannst. Denk’ einfach an das, was Dir so viel Angst zu machen scheint und wehre Dich nicht gegen die Angst. Mach gar nichts. Einfach Angst haben.“

Ich legte mich also hin und lies nach und nach so viel meiner Angst zu, wie ich auf Kommando hervorbrachte. Alles zuzulassen, was ich so lange zu vermeiden versuchte, war gar nicht so einfach. Er setzte sich auf das Meditationskissen daneben und tat gar nichts. Aber dieses „gar nichts“ hatte es in sich! Die Intensität des „gar nichts“ neben mir wuchs und recht bald hatte ich das Gefühl mit meiner Angst alleine zu sein, dass niemand da wäre neben mir. Und dieses „niemand zu Hause“ in diesem Körper neben mir war groß, war inhaltsleer, war ohne Ich. Dieses neben mir war wertfrei, offen, bedingungslos und einfach wie unpersönlich und „nicht da“ und hatte dennoch eine ungeheure unendlich feine Präsenz und Grösse.

Nach ca. 20 Minuten ging mir die Puste aus und ich konnte beim besten Willen keine Angst mehr fühlen. Ich öffnete die Augen und wartete still. Nach einer weiteren kleinen Weile öffnete Asanga lächelnd die Augen und fragte: „Na, wie geht es Dir?“ ich berichtete, dass zunächst Angst da war, dann immer schwieriger und weniger bis sie gar nicht mehr hervorzuholen gewesen sei.

Ich fragte ihn: „Was war das? Und wieso glaubst Du es habe geholfen?“ Er: „Vor Gott gibt es keine Angst. Vor dem Großen fallen all unsere Geschichten in sich zusammen. Wenn es jemandem nicht gelingt, die Angst vor die Füße des Schöpfers zu legen, damit sie sich im reinen Bewusstsein auflösen, dann verteilt man diese Aufgabe eben auf zwei Körper im selben Moment: einer meditiert und lässt alles ins Bewusstsein hinein los, der andere lässt alle Gefühle zu. Letztlich sind wir ja doch alle eins.“

Natürlich hatte ich später im Laufe des Lebens menschliche, normale Ängste hin und wieder. Aber diese übermächtige, riesige Angst zu versagen, ist nie wieder aufgetreten. Und ich habe gelernt, dass das große Bewusstsein in einer Meditation ein gewaltiger Schlüssel ist. Fortan habe ich meditiert, die spirituelle Größe meines Bewusstseins immer weiter erforscht, um anderen Menschen dieses Geschenk weitergeben und ebenso an ihrer Seite sein zu können, wie es damals Asanga für mich gewesen ist. Asanga ist inzwischen verstorben, aber auf seinem Sterbebett habe ich ihm versprochen, diese kostbare Gabe und dieses tiefe Geheimnis von dem Segen von Meditation weiterzugeben. Seither ist Meditation ein wesentlicher unsichtbarer Teil während jeder Behandlung in meiner Praxis und meinen Seminaren.